F.A.Z. Einspruch

F.A.Z. Einspruch

Der Podcast, der die Woche neu verhandelt

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00:00:03: Herzlich Willkommen zur Folge dreihundert zweiundsechzig des FAZ Einspruch Podcasts, des Podcast der FAZ, zur Recht Justiz und Politik.

00:00:12: Heute ist der zweihundzwanzigste Oktober, zweitausendfünfundzwanzig.

00:00:16: Mein Name ist Finn Hohenschwert und mir im Studio gegenüber sitzt Katharina Iskander.

00:00:20: Hi Katharina.

00:00:21: Hallo Finn.

00:00:21: Ja, wir müssen wieder über die Bundeswehr sprechen.

00:00:24: Das haben wir schon letzte Woche im Podcast getan, als es um Drohnsichtung in Deutschland und den Einsatz von Soldaten im Inland ging.

00:00:31: In dieser Woche sprechen wir über den neuen Wehrdienst.

00:00:34: Schwarz-Rot wäre schon seit Längerem das Wehrdienst-Gesetz ändern, um eben auf die neue Bedrohungslage zu reagieren, die vor allem von Russland ausgeht.

00:00:44: Doch über die Frage, was passiert, wenn sich nicht genug Freiwillige zum Dienst melden, herrscht in der Koalition noch keine Einigung.

00:00:51: Diskutiert wird gerade ein Vorschlag, der vorsieht, dass künftig das Losverfahren zum Einsatz kommen könnte.

00:00:58: Und ob das verfassungsrechtlich zulässig ist, diskutiere ich mit Katrin Groh, Professorin für öffentliches Recht an der Universität der Bundeswehr München.

00:01:06: Ja, und danach spreche ich mit dem Polizeiforscher Professor Markus Thiel zum Thema Polizeigewalt.

00:01:13: Hintergrund ist, das vor kurzem Jahr bekannt geworden ist, dass die Staatsanwaltschaft Frankfurt Ermittlungsverfahren gegen siebzehn Polizistinnen und Polizisten eingeleitet hat.

00:01:23: die Personen in gewahrsam körperlich misshandelt haben sollen.

00:01:27: Und wir gehen der Frage nach, wieso etwas erklärbar ist.

00:01:30: Ja, dann erwartet sie in dieser Woche noch eine Sonderausgabe unseres juristischen Literatur-Tipps.

00:01:35: Stammhörer werden sich jetzt fragen, wieso denn der juristische Literatur-Tipp?

00:01:38: Patrick Barnas ist ja gar nicht in dieser Folge dabei.

00:01:41: Aber dafür gibt es eine Sonderausgabe mit unserem Kollegen Reinhard Müller.

00:01:46: Der hat nämlich auf der Frankfurter Buchmesse sein neues Buch vorgestellt.

00:01:50: Das heißt Deutsche Dogmen, vom Asyl bis Ziviler Ungehorsam.

00:01:55: Und darüber hat er gesprochen mit unserem Föhn-Chancel-Rausgeber Jürgen Kaube.

00:01:59: Und weil es darin um viele spannende, vor allem auch juristische Fragen geht, möchten wir Ihnen dieses Gespräch nicht vorenthalten.

00:02:06: Und dann haben wir natürlich wieder ein gerechtes Urteil mitgebracht.

00:02:09: Das kommt in dieser Woche aus Leipzig.

00:02:11: Viele Hörer werden diesen Fall verfolgt haben.

00:02:14: Eine Frau aus Bayern, die ihren Rundfunkbeitrag nicht zahlen wollte, hat dort vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Grundsatzentscheidung erstritten.

00:02:23: Was genau die Leipziger Richter entschieden haben, hören Sie am Ende der Folge.

00:02:27: Dann möchten wir Sie noch auf eine ganz besondere Stellenausschreibung aufmerksam machen, nämlich auf unsere eigene.

00:02:33: Wir suchen in der Einspruchredaktion Verstärkung ab dem ersten Januar, zwanzig sechsundzwanzig, um genau zu sein.

00:02:39: Wenn Sie Jura studiert haben, gerne schreiben und idealerweise auch schon erste Erfahrungen im Journalismus gesammelt haben, könnt ihr der Job genau das Richtige für Sie sein.

00:02:49: Bei uns können Sie dann als Redakteur oder Redakteurin Ihre juristische Expertise in einem journalistisch anspruchsvollen Umfeld einbringen, unter anderem hier als Komoderator im Einspruch Podcast.

00:03:01: Alle Infos zum Bewerbungsprozess haben wir für Sie in die Show Notes gepackt.

00:03:06: Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung und darauf in Zukunft vielleicht gemeinsam, über spannende Themen aus der Welt des Rechts hier im Podcast zu sprechen.

00:03:15: Nun aber genug der Ankündigung.

00:03:16: Jetzt geht es los mit dem Podcast dieser Woche und dem Interview mit Frau Prof.

00:03:21: Katrin Groh über dem möglichen Einsatz eines Losverfahrens im neuen Wehrdienst.

00:03:29: Der Wehrdienst soll neu geregelt werden.

00:03:31: So weit herrscht Einigkeit innerhalb der schwarz-roten Koalition.

00:03:35: Doch was passiert, wenn sich nicht genug junge Männer zum Dienst melden sollten?

00:03:38: An diesem Punkt klaffen die Vorstellungen derzeit noch ziemlich weit auseinander.

00:03:42: Die SPD setzt auf Freiwilligkeit.

00:03:44: Die Union ist eher für verpflichtende Elemente.

00:03:48: Für Diskussionsstoff sorgte zuletzt ein Kompromiss, den Unterhändler der Koalition ausgearbeitet hatten.

00:03:54: Der sieht vor, dass künftig das Los darüber entscheiden könnte, wer zum Dienst antreten muss.

00:04:00: Der Verteidigungsminister zeigte sich allerdings skeptisch und ließ kurzerhand eine Pressekonferenz platzen, auf der die Einigung der Koalitionäre eigentlich hätte verkündet werden sollen.

00:04:10: Auch unter Verfassungsjuristen ist eine Debatte darüber entbrannt, ob der Vorschlag überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar wäre.

00:04:17: Grund genug für uns, sich die Pläne zum Losverfahren einmal genauer anzuschauen.

00:04:22: Dazu freue ich mich jetzt, Katrin Gro bei uns im Podcast begrüßen zu dürfen.

00:04:26: Frau Gro ist Professorin für Öffentliches Recht an der Universität der Bundeswehr München.

00:04:30: Hallo, Frau Prof.

00:04:31: Gro.

00:04:32: Hallo, Herr Dr.

00:04:33: Hohenschwert.

00:04:34: Ja, Frau Prof.

00:04:35: Gro, jetzt ist in den letzten Tagen ja viel über den neuen Wehrdienst geredet und auch gestritten worden.

00:04:40: Vielleicht erklären Sie uns zu Beginn einmal kurz in Grundzügen, was zum neuen Wehrdienst eigentlich bislang bekannt ist, also was soll sich konkret ändern und an welchem Punkt könnte möglicherweise dann die Lostrommel zum Einsatz kommen?

00:04:54: Also es ist ja so, dass seit Jahrzehnten die Werbpflicht ausgesetzt ist und wir uns jetzt in einer Außen- und Verteidigungspolitischen Lage befinden, in der die Personalnot der Bundeswehr nicht länger tolerierbar ist, sondern die Bundeswehr personell aufwachsen muss.

00:05:13: Und dazu gibt es jetzt den Gesetzesentwurf zum Wehrdienst Modernisierungsgesetz, der erst mal darauf baut, den Wehrdienst so attraktiv wie möglich zu machen.

00:05:25: über einen höheren Wehrsold, über andere Gimmicks, die man bei der Bundeswehr dann also kriegen kann und damit erst mal sozusagen das freiwilligen Potenzial, was junge Männer, die werdienstwillig sind in Deutschland anbelangt ausschöpfen will.

00:05:45: Also erst mal auf die Freiwilligkeit setzt.

00:05:47: Und für den Notfall, dass Freiwilligkeit nicht klappt, auch sozusagen eine halbe verpflichtende Regelung vorsieht, dass mit Rechtsverordnung der Bundesregierung und Zustimmung des Parlaments, wenn alles nicht ausreicht, letztlich die Werbpflicht wieder eingesetzt werden kann, ohne allerdings, dass irgendwie zu hinterlegen, wie dann ausgesiebt werden soll, wer letztlich herangezogen wird zum Dienst mit der Waffe und wer nicht.

00:06:23: Jetzt fällt ja in der Debatte rund um den neuen Beerdienst auch immer wieder der Begriff der Wehrgerechtigkeit.

00:06:27: Der ist auch für die verfassungsrechtliche Würdigung des Vorschlags, über den wir uns gleich genauer unterhalten wollen.

00:06:33: Sehr wichtig.

00:06:33: Können Sie vielleicht darauf noch mal eingehen?

00:06:35: Also was genau verbirgt sich hinter der Wehrgerechtigkeit, vor allem auch verfassungsrechtlich?

00:06:39: Ja, sehr gerne.

00:06:40: Also wir haben uns entschlossen, dass die Wehrpflicht in Deutschland eine allgemeine Wehrpflicht sein soll, also eine allgemeine Wehrpflicht für alle Männer.

00:06:49: Alle Männer sind wehrpflichtig und sollen nach Artikel drei, eins die Kosten und die Lasten der Landesverteidigung gemeinsam tragen.

00:07:01: Das bedeutet, dass auch alle Männer pflichtig gemacht werden müssen, um keinen Sonderopfer Einzelfall bringen zu müssen für die Bundeswehr, weil der Wehrdienst natürlich tiefgehende Grundrechtseingriffe enthält, in beispielsweise Leben und körperliche Unversehrtheit, Freizügigkeit usw.

00:07:22: Und diese allgemeine Lastengleichheit ist quasi übersetzt in die Wehrgerechtigkeit.

00:07:28: Was bedeutet, dass von einem Jahrgang aller Wehrpflichtigen eigentlich alle gezogen werden müssten, was natürlich nicht funktioniert?

00:07:38: Deswegen versuchen wir, zumindest diejenigen, die der Bundeswehr zur Verfügung stehen, die also keine Wehrdienstausnahmen für sich geltend machen können, dass von der Zahl der jenigen Männer zumindest annäherungsweise die gleiche Zahl tatsächlich auch verpflichtet wird.

00:07:59: Jetzt ist ja unter Verfassungsrecht lang, ich habe es eingangs schon gesagt, eine ziemliche Debatte darüber in Brand, wie es mit dem Losverfahren und der Wehrgerechtigkeit aussieht.

00:08:07: Also ob ein mögliches Losverfahren für den Fall, dass sich eben nicht genug Männer auf freiwilliger Basis melden und das Los entscheidet, ob dieses Modell mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

00:08:17: Welche Haltung haben Sie in der Frage?

00:08:20: Ich denke, dass die Politik da in einer riesigen und eigentlich auch nicht lösbaren rechtlichen Klemme steckt.

00:08:27: Also wie gesagt, wir müssen anhörungsweise eine Zahl von tatsächlich zur Verfügung stehenden, wehrpflichtigen und gezogenen, wehrpflichtigen Armen haben.

00:08:37: Und es ist im Moment gar nicht das Ziel, quasi der Politik diese allgemeine Wehrpflicht wiederherzustellen.

00:08:45: Die Zielvorgaben an Zahlen, die wir brauchen, um die Personalstärke der Bundeswehr, als zu decken, liegt in der Zielgruße bei irgendwann mal vierzigtausend Personen.

00:08:58: Gerechnet auf den Jahrgang von fünfunddreißigtausend sind das ein bisschen mehr von dreihundertfünfzigtausend.

00:09:03: Entschuldigung, Männern, jungen Männern, sind das ein bisschen mehr als zehn Prozent.

00:09:07: Und selbst wenn ich diejenigen, die Wehrdienstausnahmen geltend machen können, runterrechne und auch vielleicht hunderttausend, die der Bundeswehr zur Verfügung stünden, komme.

00:09:18: sind das immer noch so knapp dreißig Prozent, also siebzig Prozent, die gar nicht zum Wehrdienst herangezogen werden.

00:09:25: Und damit würde ich das Regel Ausnahmeverhältnis zwischen Wehrpflicht und Nichtheranziehung zum Wehrdienst, dass das Bundesverfassungsgericht auch unter der allgemeinen Wehrpflicht fast ins Gegenteil verkehrende.

00:09:38: Dann wäre die Nichtheranziehung die Regel und die Wehrpflicht wäre die Ausnahme.

00:09:44: Und das ist die Ungerechtigkeit, die im Ziel allerdings der Politik selbst begründet liegt.

00:09:50: und jetzt wird halt verzweifelt nach Möglichkeiten gesucht, irgendwie die allgemeine Wertpflicht beizuhalten und trotzdem ein gerechtes Verfahren für die Auswahl zu finden.

00:10:02: Und da stehen eben drei quasi im Raum.

00:10:05: Einmal könnte man versuchen, die Wehrdienstausnahmen noch so hoch zu schrauben, dass sich die Menge der tatsächlich zur Verfügung stehenden Männer drücke, was allerdings auch irgendwann nicht geht, weil es eine Umgehung dann der allgemeinen Wehrpflicht wäre.

00:10:19: Ich kann versuchen, nach dem Bedarf der Bundeswehr zu ziehen.

00:10:24: Auch das ist unter dem Label der allgemeinen Wehrpflicht nicht möglich, weil die sich ja gerade nicht allein am Bedarf der Bundeswehr ausrichten darf.

00:10:34: Und jetzt in dieser verzweifelten Lage, dass ich eigentlich keine rechtlich vertretbaren Kriterien für diese Auswahl finde, kommt man dann auf die Idee, da mache man eine Lotterie, also ein Losverfahren und lassen den Zufall darüber entscheiden, wer letztlich zum Dienst mit der Waffe verpflichtet wird und wer nicht.

00:10:53: Und tatsächlich klar, also dieses Losverfahren ist im Verfahren selbst natürlich erstmal total gerecht, weil der Zufall gezogen zu werden jeden treffen kann.

00:11:03: Aber das Verfliegste sozusagen an der allgemeinen Werpflicht ist, dass wir ja auch eine Gerechtigkeit oder eine Gleichheit im Belastungserfolg dann letztlich haben müssen.

00:11:13: Das heißt, das Auswahlergebnis müsste auch gerecht sein.

00:11:17: Oder zumindest irgendwie sachlich zu rechtfertigen sein.

00:11:20: Aber der Zufall ist eben kein sachlicher Rechtfertigungsgrund, weswegen es diese Probleme mit dem Losverfahren hier gibt.

00:11:26: Der frühere Verfassungsrichter Udo Di Fabio hat ja für die Union zu der Frage ein Gutachten verfasst.

00:11:31: Der sieht das ganz ein bisschen anders.

00:11:33: Der hat keine verfassungsrechtliche Bedenken vor dem Hintergrund des Gleichheitsgrundsatzes.

00:11:36: Der argumentiert so ein bisschen wie... Ja, was Sie gerade eben auch schon gesagt haben.

00:11:40: Sein Argument ist nämlich sozusagen, dass gerade weil ja alle im Loserfahren dieselben Chancen haben, sei der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt, hat er da nicht einen Punkt?

00:11:49: Also ist das Zufallsprinzip nicht eigentlich die ultimative Form der Chancengleichheit?

00:11:54: Es ist die ultimative Form der Chancengleichheit möglicherweise im Verfahrensvorgang selbst.

00:11:59: Das heißt aber, dass wir die massive Belastungsungleichheit im Ergebnis allein durch sozusagen die Legitimation des Verfahrens rechtfertigen würden.

00:12:10: Und das geht eben vor dem Grundsatz der Allgemeinheit der Werbpflicht nicht, weil da der Belastungserfolg gleich sein muss.

00:12:18: Und es ist eben nicht, wenn dreißigtausend durch losgezogen werden und eben sozusagen leer beziehungsweise frei ausgehen.

00:12:30: Hätten Sie einen verfassungskonformen Gegenvorschlag für den Fall, dass sich nicht genug Freiwillige melden?

00:12:34: Also was sollte man Ihrer Ansicht nach stattdessen statt des Losverfahrens machen?

00:12:38: Ja, also ich sehe kaum die Möglichkeit, das verfassungskonform auszugestalten.

00:12:45: Wie gesagt, die unbeschränkte Vermehrung von Erwehrdienstausnahmen ist nicht zulässig.

00:12:52: Vor allen Dingen ist eben auch das Ziel der Politik nicht die allgemeine Werbpflicht, sondern eine irgendwie geartete Auswahl erwerblich.

00:13:01: Und also bevor ich mich darauf berufe, es gibt hier keine rechtlich vertretbaren rationalen anhand derer ich auswählen kann, deswegen mache ich das Losverfahren, würde ich erst mal versuchen, die rationalen rechtlichen Kriterien herzustellen bzw.

00:13:19: zu ändern, indem ich möglicherweise mich von der Allgemeinheit der Wehrpflicht in der Verfassung verabschiede.

00:13:25: Und stattdessen, was in die Verfassung schreibt?

00:13:28: Ja, das ist ja ein bisschen die Argumentation von die Fabio, dass wir jetzt mittlerweile an einem Punkt sind.

00:13:37: an dem die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr das höchste Verfassungsrechtsgut bilden und geeignet sind, willkürliche oder ungerechte Entscheidungen beim Gleichheitsgrundsatz zu überspielen, also die sozusagen zu Recht fertigen.

00:14:00: Da müsste ich allerdings, das würde ich, finde ich, ist der rechtlich sicherere und klare Weg, dass eben auch als Bereichsausnahme zu Artikel drei in die Verfassung schreiben.

00:14:10: und dazu noch ein Wort.

00:14:12: Wenn ich Verteidigungsfähigkeit und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr als höchstes Verfassungsgut ansetze, ist das Losverfahren natürlich das denkbar ungeeignete Verfahren, um die dann letztlich herzustellen.

00:14:24: Jetzt gibt es auch Juristen, die einen Konflikt mit der Menschenwürde, in Artikel eins Grundgesetz sehen, darüber haben wir noch gar nicht gesprochen.

00:14:30: Das Argument ist, dass eben junge Männer ein Stück weit zum Objekt staatlichen Handels gemacht werden, wenn eben ein staatliches Glückslos über ihre Zukunft entscheidet.

00:14:38: Teilen sie eigentlich auch die Bedenken?

00:14:41: Also ein Stück weit schon.

00:14:42: Ich muss mir halt anschauen, was ist das für ein Staatsbild, was ich letztlich aktiviere.

00:14:48: Und wenn ich die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten in der Belastung der jungen Männer mit der Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik bzw.

00:15:02: der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr rechtfertige, dann lasse ich sozusagen die Freiheit des Einzelnen.

00:15:11: für den der Staat ja eigentlich da ist und der nicht für den Staat da ist, hinten runterfallen.

00:15:16: Und das ist ein Staatsbild, das das Grundgesetz so eigentlich nicht hergibt.

00:15:20: Noch mal ein anderes Thema würde die Einführung eines Pflichtgesellschaftsjahres etwas an der verfassungsrechtlichen Würdigung des Losverfahrens ändern.

00:15:27: Also wenn jeder eine Art von Dienst leisten muss und jetzt letztlich das Los nur darüber entscheidet, ob es jetzt der Zivildienst oder der Wehrdienst ist, das ist ja ein Dauerbrenner.

00:15:36: der Vorschlag, der jetzt auch ganz aktuell wieder von den Grünen, unter anderem auch bei uns in der Zeitung gefordert wird, hätte das verfassungsrechtliche Auswirkungen auf den Losverfahren-Vorschlag von Schwarz-Rot?

00:15:47: Ich denke schon, ja, weil es kommt ja irgendwie darauf an, wie gesagt, diese Belastungsgleichheit herzustellen.

00:15:55: Und wenn ich alle jungen Männer zum Pflichtdienst ja verpflichte und einige dann auslose und sage, ihr macht euer Pflichtjahr in der Bundeswehr, dann nähere ich die Belastungsgleichheit an.

00:16:09: Also es ist natürlich immer noch tiefer einschneidend in Grundrechte, wenn ich zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werde oder in einer sozialen Einrichtung ein Jahr was tue.

00:16:20: Aber trotzdem nähere ich die Belastungsgleichheit an.

00:16:24: Jetzt ist die Idee von so einem Losverfahren im Zusammenhang mit dem Verdienstjahr nicht neu.

00:16:30: Gibt in Dänemark schon das Modell, das aktuell so praktiziert wird, aber auch in Deutschland gab es in den neunzehnundsechziger Jahren schon mal das Losverfahren im Zusammenhang mit dem Wehrdienst.

00:16:39: Inwiefern kann man die damalige Situation mit der heutigen vergleichen und kann die das damalige Modell nicht auch als Vorbild, als Modellvorlage für heute gelten?

00:16:49: Die Situation kann man rechtlich schon gar nicht vergleichen, außer dass es ein Losverfahren war.

00:16:53: Vor neunzehntzig bis neunzehntfünfeinzehntzig ist das praktiziert.

00:16:57: Worden allerdings waren die Zielsetzungen der Politik da ganz andere.

00:17:02: Also von neunzehntzig bis fünfeinzehntzig ging es darum, dass die Bundeswehr noch keine Kapazitäten hat und deswegen nicht ganze Jahr Gänge unterbringen konnte.

00:17:12: Aber darauf getrimmt werden sollte, das irgendwann zu können.

00:17:15: Also das war von vornherein als als Übergangs.

00:17:18: konzipiert, während es jetzt eine Dauerlösung werden soll.

00:17:22: Also wir wollen Kapazitäten der Bundeswehr gibt es jetzt auch nicht, aber die sollen eben auch nur so weit aufgebaut werden, dass wir letztlich dann dauerhaft eben vierzigtausend von dreihundertfünfzigtausend ziehen.

00:17:33: Insofern ist die Zielsetzung eine andere und das spielt eine wesentliche Rolle bei der Rechtfertigung letztlich.

00:17:38: Jetzt habe ich gerade schon Dänemark erwähnt, wo das Losverfahren bereits praktiziert wird.

00:17:43: Möglicherweise könnte Dänemark auch in einem anderen Punkt als Beispiel als Vorbild dienen und zwar, wenn es um die Rolle von Frauen geht im Zusammenhang mit der Werdingsdebatte.

00:17:53: Denn da ist es ab dem kommenden Jahr so, dass auch Frauen zur Musterung geladen werden, wenn sie eben achtzehn Jahre alt werden.

00:18:00: Was halten Sie von der Idee, das auch in Deutschland einzuführen?

00:18:02: Dann hätte man ja wahrscheinlich nicht das Problem, dass sich nicht genug freiwillige melden, wenn man eben der Topf an jungen Menschen dreienzahlenmäßig erhöht, die eben gefragt werden, ob sie sich vorstellen könnten zu dienen.

00:18:15: Erst mal wäre dafür natürlich eine Verfassungsänderung notwendig, weil im Zwölf A, Gott, Absatz vier ist es, glaube ich, drinsteht, dass Frauen nicht zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden dürfen.

00:18:25: Diese Verfassungsänderung halte ich für total unrealistisch bei den derzeitigen politischen Verhältnissen, weil wir eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat bereuchten.

00:18:37: Ich finde, das Prinzip Frauen als ein Wehrdienst verpflichten zu wollen, aber auch Es geht natürlich immer um Gleichstellung und Gleichberechtigung und es ist natürlich ein Gleichheitsverstoß, erst mal, wenn Männer Werpflicht machen müssen und Frauen den Werdienst nicht leisten müssen.

00:19:02: Diese Ungleichbehandlung im Werpflichtgesetz ist das einzige Gesetz, das im Moment an die Geschlechter unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft.

00:19:11: Die hat aber sehr valable Gründe für sich, nämlich die Tatsache, dass Frauen und Männer nach wie vor nicht tatsächlich gleichgestellt sind in unserer Gesellschaft.

00:19:21: Frauen sind strukturell benachteiligt.

00:19:24: Und bevor diese Nachteile nicht ausgeglichen worden sind, ist es für meine Begriffe von Gerechtigkeit nicht einzusehen, dass Frauen dann an allen Ecken und Enden, also eben auch bei der Landesverteidigung gleich verpflichtet werden müssen.

00:19:39: könnte es eigentlich sein, dass die Debatte am Ende rein theoretischer Natur ist und wir uns eigentlich viel zu viel sorgen, um nichts im Endeffekt machen.

00:19:46: Also ich habe jetzt schon mehrmals Dänemark erwähnt.

00:19:48: In Dänemark ist es auch so, dass die Auslosung so gut wie kaum zum Einsatz kommt, weil sich eben in den letzten Jahren eigentlich immer genug Freiwilliger gemeldet haben.

00:19:56: Ist das also möglicherweise eine Phantom-Debatte?

00:19:59: Ich glaube nicht.

00:20:00: Also, wir müssen ja Prognosen anstellen, die auf Erfahrungswerten aus früheren Zeiten basieren.

00:20:07: Und wir haben ja im Moment eine Berufsarmee, die aus freiwilligen Armen besteht.

00:20:13: Und da zeigen die Zahlen aus den letzten Jahren, dass sich nicht genügend freiwillige melden, um diese Lücke, die ja nach wie vor besteht.

00:20:21: Also, es ist der Bundeswehr ja noch nicht gelungen in den letzten Jahren, über ihre hundred und eighty tausend Leute auf die da geplanten, zweihundert, drei tausend Leute zu kommen.

00:20:31: Also die Erfahrungswerte bei uns sprechen eher dagegen, dass sich genügend Freiwillige finden lassen werden.

00:20:39: Ja, das war Professor Katan Grof von der Universität der Bundeswehr München.

00:20:42: Mit ihr habe ich über die Pläne für ein neues Währdienstgesetz gesprochen.

00:20:46: Vielen Dank, dass Sie bei uns zu Gast waren.

00:20:48: Ich danke Ihnen, Herr Hohenswert.

00:20:53: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt derzeit gegen siebzehn Polizeibeamte, denen Körperverletzung im Amt und Strafe-Eitelung vorgeworfen wird, zudem die Verfolgung unschuldiger.

00:21:05: Präsent ist, dass die Beamten einer Dienstgruppe des ersten Frankfurter Polizeireviers angehören, also jenem Revier, das vor einigen Jahren schon einmal bundesweit wegen rechtsextremer Chatgruppen aufgefallen war.

00:21:19: Wir sprechen mit dem Polizeiforscher und Professor für Öffentliches Recht an der Deutschen Hochschule der Polizei Markus Thiel über das Thema Polizeigewalt.

00:21:28: Ich begrüße Sie.

00:21:28: Guten Tag, Herr Thiel.

00:21:30: Guten Tag, Frau Eskander.

00:21:32: Ich habe es eben schon eingangs erwähnt.

00:21:33: Es gibt derzeit bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt ein größeres Ermittlungsverfahren, und zwar gegen siebzehn Frankfurter Polizistinnen und Polizisten, die sich der Körperverletzung im Amt sowie auch der Strafvereitelung schuldig gemacht haben sollen.

00:21:49: Konkret wird ihnen vorgeworfen, unter anderem Personen im gewahrsamen körperlich misshandelt zu haben.

00:21:55: Also relativ schwere Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft erhebt.

00:21:59: Es gibt wohl auch belastendes Videomaterial, so ist zu hören.

00:22:03: Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie häufig kommt so etwas vor?

00:22:09: Die Frage nach der Häufigkeit lässt sich nicht seriös beantworten, weil uns dazu keine verlässlichen Zahlen vorliegen.

00:22:15: Es gibt verschiedene Studien zur Häufigkeit von Polizeigewalt, deren Ergebnisse allerdings sehr stark davon abhängig sind, wen sie befragen und welche Maßstäbe sie anlegen.

00:22:25: Nicht jede.

00:22:27: Von Betroffenen als übermäßig empfundene polizeiliche Gewaltanwendung ist tatsächlich auch rechtswidrig.

00:22:32: Dazu tritt eine Dunkelziffer an rechtswidriger Gewaltausübungen, von denen die Behörden selbst gar keine Kenntnis erlangen.

00:22:39: Feststellen lässt sich aber das problematische Gewaltanwendung der Polizei vor allen Dingen im Zusammenhang mit Einzelereignissen, wie Versammlungslagen und Hochrisikofußballspielen auftritt, nicht selten in einer Einsatzlage, die ohnehin schon sehr angespannt ist.

00:22:55: Auch im Polizeigewahrsam ist es in der Vergangenheit schon zu feststellbar rechtswidrigen Handlungen gekommen.

00:23:01: Also wenn man da etwa an die vor geraumer Zeit schon gerichtlich verbotene Gabe von Brechmitteln an Personen denkt, die kleine Plastikbeutel mit Drogen verschluckt haben oder an den tragischen Fall und noch immer nicht abgeklärten Fall, das in seiner Zelle verbrannten Urialo.

00:23:17: Aber der Frankfurter Falt stellt im Vergleich mit den genannten Situationen schon eine äußerst besorgniserregende Besonderheit dar.

00:23:23: Zum einen wurden offenbar Personen nicht in einer akuten Lage misshandelt, die schnelle Entscheidungen erfordert, sondern im polizeilichen Gewahrsam, wo sie uneingeschränkt der polizeilichen Kontrolle unterliegen.

00:23:35: Zum anderen handelte sich um eine Mehrzahl von Fällen über einen längeren Zeitraum hinweg und auch unter Beteiligung einer größeren Anzahl von Polizeikräften.

00:23:44: Sie haben gerade gesagt, dass viele Fälle gar nicht bekannt werden.

00:23:48: Das heißt, das sind dann Delikte, die sich in einem Dunkelfeld bewegen.

00:23:52: Also das Dunkelfeld hinsichtlich jetziger Polizeigewalt gilt als durchaus nicht vernachlässigenswert.

00:23:58: Wobei aber auch hier natürlich wegen des Dunkelfeldes keine verlässlichen Angaben gemacht werden können, sondern allenfalls Schätzungen.

00:24:06: Vermutet werden können vor allen Dingen Besonderheiten beim Anzeigeverhalten.

00:24:10: Unterschiede gibt es da schon bei der Resilienz der Betroffenen.

00:24:14: Wer also als Fußball Ultra ohnehin schon sich gerne bei Auseinandersetzungen mit dem Gegner prügelt.

00:24:22: Der wird auch eine robustere möglicherweise auch überzogene Gangart der Polizei nicht zum Anlass nehmen, Anzeige zu erstatten.

00:24:30: Andere und das dürfte die Mehrheit sein, werden den Eindruck haben, mit ihrer Anzeige ohnehin nichts bewirken zu können oder fürchten sogar Repressionen durch die Behörden, wenn sie sich gegen Polizeigewalt zu wehrsetzen.

00:24:42: Vielen fehlt auch ein hinreichendes Vertrauen in die Ermittlungsbehörden und die Rechtsordnung insgesamt.

00:24:48: Wie sich aber diese Umstände dann tatsächlich auf das Anzeigeverhältnis auswirken bleibt Spekulation.

00:24:54: Bei Übergriffen des Frankfurter Ausmaß ist die Wahrscheinlichkeit allerdings sehr hoch, dass sie auch den Ermittlungsbehörden zur Kenntnis gelangen.

00:25:04: Viele stellen sich ja die Frage, wie es überhaupt erklärbar ist, dass Polizeibeamte gewalttätig werden.

00:25:11: ausdrücklich außerhalb ihres rechtlichen Rahms.

00:25:13: Sie haben ihm schon gesagt, natürlich gehört zu dem Polizeidasein auch, dass Gewalt angeln wendet werden darf.

00:25:18: Aber die sind ja in Gegrenzen gesetzt.

00:25:21: In diesem Fall so stellt sich das zumindest nach derzeitigen Kenntnissen dar.

00:25:25: Natürlich müssen die Ermittlungen abgewartet werden.

00:25:28: Ist dieser gesetzliche Rahmen nicht eingehalten worden?

00:25:33: Sie sind Professor an der Deutschen Hochschule der Polizei und kennen daher die Institutionenpolizei auch sehr gut aus ihrer Forschungsarbeit.

00:25:41: Noch mal die Frage, wie ist das erklärbar?

00:25:45: Ein rechtswidriges Verhalten von Polizeibeamtinnen und Beamten bei der Gewaltanwendung kann ganz unterschiedliche Ursachen haben.

00:25:53: Es gibt eine ganze Reihe von möglichen Erklärungen, die aber, das möchte ich hier sehr deutlich sagen, keine Rechtfertigungen sein können.

00:26:00: Der rechtliche Rahmen für den Einsatz körperlicher Gewalt ist zunächst weitestgehend klar und wird auch im Rahmen der Aus- und Fortbildung so vermittelt, dass sie den Polizeikräften eigentlich in jeder Situation bekannt sind.

00:26:12: In der konkreten Einsatzsituation kann es dann aber durchaus zu einem unverhältnismäßigen Gewalt-Einsatz kommen.

00:26:19: Auch in der Uniform steckt ein Mensch, der sich gestresst, provoziert oder bedroht fühlen kann und dann auch die Grenzen des rechtlich zulässigen überschreitet.

00:26:28: Häufig ist es auch das Ziel der Polizeikräfte, einen Einsatz möglichst schnell zu beenden, etwa auch um unbeteiligte Dritte nicht in Gefahr zu bringen.

00:26:36: Schwieriger zu erklären, sind dann aber die Gewalttätigkeiten in unserem Frankfurter Fall.

00:26:41: Hier sind mehrere Probleme offenbar zusammengekommen, etwa eine grundsätzliche Gewaltbereitschaft, ein fehlender, moratisch ethischer Kompass, eine dysfunktionale Führungsstruktur, vielleicht auch ein fehlgeleitetes Zusammengehörigkeitsgefühl, möglicherweise Frustration im Büro.

00:26:57: vielleicht auch ein defizitäres Angebot der Beratung oder des Coachings und wahrscheinlich auch eine Überforderung mit der Situation im Polizeibezirk im ersten Revier.

00:27:09: Es gibt ja erste Erklärungsansätze von anderen Beobachtern, die sagen, es sei kein Zufall, dass es ausgerechnet auf diesem Revier zu solchen Vorkommnissen oder erstmal Verdachtsfällen, muss man ja sagen, gekommen ist, weil das erste Frankfurter Polizeirevier für alle, die es nicht kennen liegt, direkt an der Zeil in Frankfurt, also an der östlichen Zeil, einem etwas... problematischeren Viertel mit einem, mit dem Allerheiligen Viertel als direktem Brennpunkt sozusagen neben dran.

00:27:37: Es gilt also als eines der hochbelasteten Reviere in Hessen, finde ich sogar vielleicht eines der belasteten in Deutschland.

00:27:45: Kann das eine Rolle spielen?

00:27:47: Wenngleich ist natürlich überhaupt gar nichts rechtfertigt, aber wäre das ein Erklärungsansatz?

00:27:53: Ja, durchaus die Belastungen in derartigen Revieren sind natürlich im Vergleich mit Dorfgemeinden ganz anders, als man das so im Durchschnitt kennt.

00:28:02: Und das führt natürlich bei den Polizeikräften zu erheblichen Belastungen, der Schichtdienst, die ständige Konfrontation mit Straftätern und Straftaten.

00:28:12: Das mag natürlich Zermürbungserscheinungen, Frustrationen und dergleichen Erscheinungen stärker befördern als an anderen Stellen.

00:28:20: Aber wie Sie schon richtig sagen, Erklärung aber keine Richtwärtigung.

00:28:26: Es stellt sich ja auch die Frage, welche Sicht diese betroffenen Beamten generell zum Thema Gewalt haben.

00:28:35: Also kann es denn aus ihrer Erfahrung passieren, dass Polizisten sozusagen jegliche Relationen zur Gewalt verlieren und dann auch nicht mehr unterscheiden können, was jetzt noch rechtmäßig angewandte Gewalt ist und was nicht?

00:28:51: Ich halte das für sehr unwahrscheinlich, dass jemand vollständig den Kompass verliert.

00:28:56: Man ist ja auch eingebunden in die Dienstgruppe.

00:28:59: Man ist eingebunden in den Polizeiapparat insgesamt, dass da jemand die rechtlichen Rahmenbedingungen völlig beiseite schiebt und völlig außer Acht lässt.

00:29:10: Das wird ein Einzelfall sein.

00:29:11: Ich denke schon, man muss sich bewusst dafür entscheiden, hier die Grenzen zu überschreiten.

00:29:16: Das fühlt mich zur nächsten Frage, denn man muss ja auch festhalten, sehr viele Beamte gibt.

00:29:21: Auch dieses Reviers, die sich überhaupt gar nichts zu Schulden kommen lassen haben.

00:29:25: Also wir sprechen hier über eine Dienstgruppe von immerhin siebzehn Beamten, die jetzt unter Verdacht geraten sind.

00:29:30: Das ist eine wahnsinnig hohe Zahl.

00:29:32: Aber dennoch muss man sich ja fragen, warum können einige besser offenbar mit Stresssituationen umgehen als andere?

00:29:40: Beziehungsweise warum haben einige eben überhaupt keinen Hang zur Gewalt außerhalb des gesetzlichen Rahms und andere dann offenbar doch.

00:29:48: Also gibt es da auch Unterschiede.

00:29:49: und würde das implizieren, dass dieser Hang zur Gewalt, wenn man das so nennen kann, dann schon mitgebracht wird in den Beruf?

00:29:58: Ja, ich glaube, man muss ja unterscheiden zwischen der einen Frage, ob eine Tätigkeit in einem solchen Gebiet tatsächlich zu einer Art Abstumpfung oder Verrohung führen kann.

00:30:06: Und die zweite Frage ist die, ob die Polizei möglicherweise solche Personen anzieht.

00:30:12: Vielleicht zur ersten Frage.

00:30:14: Bin kein Psychologe oder Soziologe, aber schon der gesunde Menschenverstand liegt eigentlich nahe, dass eine derart belastende Arbeitssituation nicht schwurlos an den Beamtinnen und Beamten vorbeigehen kann.

00:30:25: Wirklicherweise führt auch die häufiger erforderliche Anwendung von Gewalt im Außendienst dazu, dass man generell Robuster agiert.

00:30:34: Und ja, von daher denke ich schon, dass die Rahmenbedingungen hier einen starken Einfluss nehmen.

00:30:41: Was ich nicht sehe, ist, dass Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen von vornherein eine Neigung zu Gewalttätigkeiten haben müssen oder dass die Polizei als Organisation derartige Personen ansieht.

00:30:53: Die Erfahrung habe ich nicht gemacht in meinen langjährigen Tätigkeiten in der Aus- und Fortbildung.

00:30:58: Im Gegenteil bin ich da eher der Auffassung, dass idealistische Motivationen hier klar im Vordergrund stehen.

00:31:04: Es ist aber auch so, dass diese zumindest bei einem Teil der Beamtinnen und Beamten im Laufe der Zeit aus unterschiedlichen Gründen und auch in unterschiedlichen Maße abnehmen kann und es dann tatsächlich zu einer gewissen Abstumpfung kommen kann.

00:31:19: Aber das ist ein individuelles Phänomen, den man auch individuell in den Behörden begegnen muss.

00:31:26: Ein weiterer Aspekt ist ja der des Wegschauens.

00:31:29: Darüber wird jetzt auch viel diskutiert.

00:31:32: In diesem konkreten Fall gab es auch Beamte, denen vorgeworfen wird, von den Taten gewusst zu haben, aber sie nicht gemeldet zu haben.

00:31:41: Wie ist das zu erklären?

00:31:45: Man kennt es aus geschlossenen Einheiten der Polizei, aber eben auch aus Gruppierungen wie einer Dienstgruppe auf einem Polizeirevier.

00:31:55: Wie ist das wiederum erklärbar, dass es Beamte gibt, die bewusst eben wegschauen und Fehlverhalten eben nicht nach oben melden?

00:32:05: Ich denke, dass das zum einen natürlich wieder eine sehr individuelle Frage ist, ob man bereit ist, auch mal aufzustehen gegen solche Fehlentwicklungen und auch mutig genug ist, Fehlverhalten zu melden.

00:32:17: Stärkeren Einschluss dürften aber auch die verschiedenen Rahmenbedingungen in den einzelnen Dienststellen haben.

00:32:23: Wenn Beamtinnen und Beamte ermutigt werden, ein Fehlverhalten zu beanstanden oder zu melden, ohne dass ihnen negative Konsequenzen drohen und wird damit ein Vertrauensverlustklima in der Dienststelle geschaffen, dann wird es weitaus seltener zu einem Wegschauen kommen.

00:32:38: Wenn Beamtinnen und Beamte dagegen unter Druck gesetzt werden, wenn ein Zusammengehörigkeitsgefühl und eine Kopfkaltscher, die man ja durchaus braucht, weil man sich im Dienst aufeinander verlassen können muss, in überzogene Maß gepflegt werden.

00:32:51: Und wenn jeder Kritiker direkt als Kameradenschwein gilt, dann fallen ein Einschreiten oder ein Melden von Fehlverhalten natürlich deutlich schwerer.

00:33:00: Und zwischen diesen Extremen gibt es natürlich auch vielfältige Zwischenformen.

00:33:04: Sie hier vor allen Dingen die Vorgesetzten auf allen Ebenen in der Pflicht, wirksame und niedrigschwellige Möglichkeiten einer Meldung von Fehlverhalten zu schaffen oder auch Rotationssysteme.

00:33:15: einzuführen, die natürlich auch den Vorteilen einer längerfristigen Zusammenarbeit von Polizeikräften Rechnung tragen müssen.

00:33:23: Würde denn da auch ein unabhängiger Polizeibeauftragter helfen, wer ja in mehreren Bundesländern angedacht ist?

00:33:31: Ich habe der Einrichtung solcher unabhängigen Polizeibeauftragten bislang eher kritisch gegenübergestanden, weil ich die bestehenden Kontrollinstanzen und Verfahren eigentlich für ausreichend gehalten habe.

00:33:44: Und weil natürlich auch die zusätzlichen Kosten gerade vor dem Hintergrund immer klammer werdender öffentlicher Haushalt einer Rechtfertigung bedürfen.

00:33:52: Diese Meinung habe ich inzwischen ein wenig relativiert.

00:33:55: Unabhängige Polizeibeauftragte, die Fehlentwicklung innerhalb der Polizei frühzeitig und aufdecken sollen, die konkrete Einzelfälle untersuchen, die nicht nur als Beschwerdestelle für Bürgerinnen und Bürger verstanden werden, sondern zugleich auch als Ansprechpartner für die Beamtinnen und Beamten sind möglicherweise wirklich dazu geeignet, insgesamt das Verhältnis zwischen Polizei und Bevölkerung wieder nachhaltig zu verbessern und das Vertrauen zu steigern, die Erfahrungen in denjenigen Ländern und beim Bund, die solche Stellen bereits eingerichtet haben, scheinen ja durchaus positiv zu sein.

00:34:28: Daher kann man Die Einrichtung eines solchen Beauftragten durchaus erwegen.

00:34:33: Das heißt ja immer, wer hilft, hat recht.

00:34:35: Ich würde aber dann raten, dies nur für eine begrenzte Frist zunächst zu tun und dann im Anschluss die Tätigkeit eingehen zu evaluieren, um zu schauen, ob der tatsächliche Nutzen tatsächlich eingetreten ist.

00:34:48: Problematisch ist es aber dann natürlich, wenn man solche Stellen schafft, diese dann aber über einen längeren Zeitraum unbesetzt lässt, wie etwa in Hessen und auch in Matranistwahlen.

00:34:58: Nicht zuletzt geht es ja auch um eine strafrechtliche Bewertung der Vorwürfe.

00:35:02: Hier in Frankfurt in diesem konkreten Fall hat die Staatsanwaltschaft sehr schnellen Verfahren eingeleitet.

00:35:08: Aber haben Sie den Eindruck ganz generell, dass die Justiz am Ende auch konsequent genug gegen polizeiliches Vielfalt vorgeht und dann auch entsprechend aburteilt?

00:35:18: Ja, es wird ja häufig kritisiert, dass angeklagte Polizeibeamtinnen und Beamte am Ende weitestgehend strafrei ausgehen.

00:35:28: wichtig, dass man sich vor Augen hält, dass ja hier nicht die Polizei als Institution vor Gericht steht, sondern der einzelne Beamte und die einzelne Beamten als Mensch, auch wenn Amtsdelikte im Raum stehen, ist das so.

00:35:40: Und damit gelten natürlich auch für diese angeklagten sämtliche Grundsätze des Strafverfahrens einschließlich aller Rechte des angeklagten, etwa auch das Indubio Pro Reo, wenn etwa Aussage gegen Aussage steht.

00:35:55: Und ich habe nicht den Eindruck, dass die Gerichte in diesen Fällen signifikant von ihrer Praxis redestarklich fundierter Entscheidungen abweichen, nur weil eine Polizistin oder ein Polizist auf der Anklagebank sitzt.

00:36:08: Ja, vielen Dank, Herr Thiel.

00:36:10: Wir werden das Thema natürlich weiter verfolgen und bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch.

00:36:16: Sehr gerne.

00:36:19: Ja, herzlich willkommen, meine Damen und Herren.

00:36:22: Ich habe das Vergnügen meinen Kollegen Reinhard Müller mit seinem Buch mit dem Laptaren-Titel Deutsche Dogmen vorzustellen und ein bisschen darüber zu reden, worum es darin geht.

00:36:35: Das sind Deutsche Dogmen, die sind so ein bisschen fast, es gibt so eine alphabetische Anmutung, aber sind dann natürlich nur zwanzig, weil Deutsche Dogmen mit X und Y waren wahrscheinlich nicht vorfindlich und ein paar eben dann doch mit A und so kommt das zu schreiben.

00:36:50: Das sind kurze Texte, gelossenhafter Art.

00:36:55: Einfache Sprache.

00:36:57: Es ist sehr verständlich zu, man könnte sagen zu so Reizthemen.

00:37:05: Was haben Sie unter Dogmen verstanden?

00:37:08: Was ist ein Dogma, ein deutsches Dogma?

00:37:10: Ich hatte in der Tat überlegt, man könnte auch sagen Lebenslügen, man könnte sagen Traumata, Narrative.

00:37:16: Und Dogmen sind ja Leersätze, Glaubenssätze, wenn man so will.

00:37:19: Und es sind natürlich Themen, obwohl kein Text schon gedruckt war, aber es sind Themen, die mich teilweise schon lange und auch, wenn man so will, oft täglich beschäftigen.

00:37:26: Stichwort Asyl oder teilweise ziviler ungehorsam Atom.

00:37:29: Also politische Themen, aber die die ganze Zeitung auch uns alle bewegen.

00:37:34: Und man hat manchmal den Eindruck, bestimmte Themen verlieren irgendwie ihren wahren Charakter.

00:37:40: Wenn ich jetzt mal das Wort Asyl nehme, das ist jetzt ein bisschen wieder aus der auf dem öffentlichen Lichtkegel verschwunden.

00:37:47: Das ist ja auch eine Art.

00:37:48: Glaubenssatz, der auch in der Verfassung steht, ein wunderbarer Satz, politisch verfolgte Genießen Asyl, der aber so ein bisschen faktisch umgedreht wurde in einer Art Einwanderungsrecht für jeden.

00:38:02: Natürlich kann jeder sein Land verlassen, aber jeder hat nicht das Recht, nach Deutschland zu kommen.

00:38:05: Insofern hat sich ein, wenn man so will, Dogma auch, das ist ja auch ein Leersatz, der auch völkerrechtlich verankert ist, politisch verfolgte Genießen Asyl umgekehrt in einer Art Einwanderungsrecht und wird auch so verstanden von weiten Teilen.

00:38:18: Oder auch ziviler Ungehorsam, das ist ja bei den sogenannten Kliberklebern hochgekommen.

00:38:24: Das Widerstandsrecht steht ja sogar im Grundgesetz.

00:38:26: Ist auch so gesehen auch ein historisch bedingtes Dogma, ein Glaubenssatz, der auch aus gutem Grund, finde ich, auch wenn es vielleicht überflüssig ist, weil es sich von selbst versteht, in der Verfassung steht.

00:38:36: Also jeder Deutsche hat das Recht zum Widerstand, aber dann wird auf der zweite Teil vergessen, wenn, so sage ich immer singelmäßig, der demokratische Rechtsstaat versagt.

00:38:46: Und im Zuge der Klimakleberdiskussion oder auch bei Fridays for Future wurde der Eindruck erweckt, wenn mir die Politik nicht gefällt, dann habe ich das Recht auch gegen demokratisch gefasste Entscheidungen oder Gerichtsbeschlüsse einfach andere zu nötigen.

00:39:00: Und auch hier ist es so, also natürlich gäbe es ein Widerstandsrecht, wenn eine Partei die Machtergriffe, die Gewaltenteilung, Abschafte, die FHZ verböte, würde ich auch sagen, dann haben wir jeder von uns das Recht zum Widerstand.

00:39:14: Aber nicht, weil uns eine Entscheidung nicht schmeckt, können wir nicht einfach Leute, die zur Arbeit wollen oder ins Krankenhaus wollen oder ihr Kind wegbringen, einfach nötigen.

00:39:23: Und da ist sozusagen auch wieder ein guter Satz verkehrt worden.

00:39:28: Und im Grunde könnte man es auch so sehen, dass ich ein paar Begriffe, die konstruiere, entschlacke oder eben auf ihren Kern zurückführe.

00:39:37: Ja.

00:39:39: Was denken Sie denn, wie kommt das, dass es, Sie hatten jetzt das Gebrechtssätze?

00:39:43: Und dann gibt es dazu passende Gerichtsurteile.

00:39:49: Und dann gibt es aber eine zweite Diskursschiene, wo davon abstrahiert wird, dass vor Gerichten geklärt werden muss oder übertriebene Ansprüche an diese Grundgesetzartikel geknüpft werden.

00:40:07: Sind wir da selber ein bisschen schuld, Medien?

00:40:10: Ich glaube, dass der Medienwandel in der Tat die Öffentlichkeit, der Wandel, der öffentlichen Debatte auch dazu beiträgt, dass Sachen sich verkehren.

00:40:18: Ein Beispiel ist vielleicht auch heikles Thema, auch ein Kapitel Me Too, wo das sind ja richtige Themen, die angegriffen werden.

00:40:26: Da geht es teilweise auch um Straftaten und so weiter.

00:40:28: Aber dann hat sich, glaube ich, die Vorsitzenden der Grünen Jugend dazu hinreißen lassen zu sagen, die Unschuldsvermutung gilt nicht mehr in solchen Fällen, wobei man auch fragt, was sind das für Fälle?

00:40:37: Also wenn ich mich zum Opfer erkläre oder in bestimmten Konstellationen, so meinte sie, glaubt man dem vermeintlichen Opfer, es gilt keine Unschuldsvermutung mehr für den Täter.

00:40:46: Und das kommt natürlich jetzt um auf die Frage zurück zu kommen, auch durch bestimmte öffentliche Fälle, die so vorgeführt werden.

00:40:54: Und dann, wo man den einlöckert, wenn das mit starker Medienmacht vorgetragen wird, Social Media oder vielleicht auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dass dann Rechtssätze gut... aus gutem Grund verankert, zivilisatorische Grundsätze wie die Unschuldvermutung praktisch aus der Kraft gesetzt werden.

00:41:11: Das hat dann schon einen gewissen Eindruck, deswegen entsteht dann eben so eine Art Narrativ-Dokmar, der aber große Gefahren birgt.

00:41:20: In diesem Fall wie in anderen habe ich manchmal den Eindruck, wird davon abgesehen, dass eigentlich ja immer eine Einzelfallprüfung vorgenommen werden muss.

00:41:32: Und insofern nicht von dem Statistischen befunden.

00:41:35: dass es da große Dunkelziffern gibt und große Ungerechtigkeiten auf den Einzelfall geschlossen werden kann.

00:41:41: Es kann mir gerade in der Grünen Partei, glaube ich, ein Abgeordneter, der sein Mansat verlor oder auf den Listenplatz verlor, weil er unter Beteiligung von Medien, ich glaube der Rundfunk und Berliner Zeitungen waren da irgendwie mit im Spiel, der Eindruck abweckt wird, er hatte einen Mituverstoß.

00:42:00: begann, das löste sich dann alles in Luft aus, der Listenplatz hat er trotzdem nicht bekommen.

00:42:04: Und insofern war es eine gewisse Ironie, dass Frau Neut hat jetzt gerade, das wäre eigentlich so ein bisschen vor der eigenen, ein Gebot vor der eigenen Tür zu kehren, wäre da besser gewesen.

00:42:15: Und man sah dann einen solchen konkreten Fall, dass es nichts bringt, statistische Aussagen über die Welt auf Rechtsfälle runterzubrechen und zu sagen, dann muss auch im Einzelfall zum Beispiel... so ein Rechtsprinzip umgekehrt werden.

00:42:30: Genau.

00:42:30: Und da geht es ja um Fundamentales, nämlich um den Schutz des Einzelnen.

00:42:33: Man könnte auch sagen Schutz von Minderheiten.

00:42:34: Und da kann ich nicht einfach sagen, es gibt auch die Dunkelziffer, sind ja eben Dunkelziffern, also angenommen.

00:42:39: Und ich kann da nicht darauf schließen und irgendwie einem Einzelnen, der vor mir steht, seine individuellen Rechte absprechen.

00:42:46: Und der Ausgangspunkt für dieses Kapitel war zum Beispiel, dass mir eine Staatsanwältin sagte, also als diese Fälle mit Rammstein und so weiter stark in die Medien waren.

00:42:55: Sie ärgert sich, sie guckt ganz viele Talkshows, das sind ja auch Sendungen mit Millionen von Zuschauern.

00:43:00: Und da sitzen alle möglichen Leute, aber keine Justen, z.B.

00:43:03: keine Staatsanwälte, die einem auch sagen könnten, es gibt auch viele Falschbeschuldigungen.

00:43:07: Und das war für mich ein Anlass, da mal so ein bisschen reinzugucken.

00:43:10: Es gibt krasse Fälle bei der Justiz, wo man auf den ersten Blick sagt, das ist ja unglaublich.

00:43:14: Und dann wird der mittelt und es ist alles lustig, alles in Luft auf, Falschbeschuldigungen.

00:43:19: Und das geht dann völlig unter.

00:43:21: Aber jedenfalls in der Tat, der Einzelfall muss natürlich ... im Mittelpunkt stehen, wenn es um schwere Vorwürfe geht.

00:43:27: Sie hat das schon erwähnt.

00:43:27: Das fängt an mit der Frage Asyl und Einwanderung.

00:43:31: Und Sie versuchen ja dann auch zu erklären, warum ist das so geregelt an sich, wie es geregelt ist?

00:43:36: Sie haben dann weiter hinten unter V noch einmal, nehmen Sie das auf, den Begriff Volk, was man damit eigentlich verbunden soll.

00:43:45: Da bin ich an eine Stelle gestoßen, da sagen Sie ja, also, dass nicht jeder überall einwandern kann und dass gewisse Voraussetzungen dafür etabliert sind.

00:43:58: Das hängt mit einem tiefsitzenden Bedürfnis von Staaten nach einer Art von Homogenität, ihre Bevölkerung.

00:44:07: Ich sage jetzt mal nicht Volk, sondern Bevölkerung zusammen.

00:44:12: Ich habe mich an der Stelle gefragt, ist das nicht selber ein Dogma?

00:44:18: Was soll ich mir unter einer solchen Homogenität eigentlich vorstellen?

00:44:21: Wir können zum Beispiel das Paradox erzeugen, dass wir sagen, es gibt einen, der sich zitieren einen ehemaligen Verfassungsrichter, der dann sagt, das muss so eine Art Grundeinverständnis mit den Prinzipien geben, unter denen wir hier leben.

00:44:35: Was immer genau wird, die bestimmen können, könnte man ja sagen, ich wüsste ja auch jede Menge Deutsche, die nicht einverstanden damit sind.

00:44:46: wären die dann eigentlich auch bedroht davon, dass man ihnen sagt, sie haben natürlich keinen zweiten Pass, aber dann müsste man ihnen den einzigen nehmen, den sie haben.

00:44:54: Genau, wobei ich ganz klar sage, das ist ja eine große Debatte auch bei Stichwort AfD-Verbot, ethnischer Volksbegriff.

00:45:03: Das Grundgesetz ist ja völlig klar, das sagt, Deutschland ist, wenn die deutsche Staatsangebührigkeit erst mal Punkt.

00:45:08: Also es ist egal, wie ihr aussieht, wo ihr herkommt, welche Religion er hat.

00:45:11: was er glaubt, meint, wer die deutsche Staatsangehörigkeit hat.

00:45:15: Und dann kommt diese Sonderregel, diese Flüchtlinge, die nach dem zweiten, und da musste man irgendwas sagen, weil das teilweise keine deutsche Staatsangehörigkeit hat.

00:45:23: Da könnte man sagen, das war ein ethnischer Volksbegriff, die wurden immer als Deutsche angesehen, weil sie seit Jahrhunderten ein gewisses Brauchtum pflegen.

00:45:31: Aber trotzdem, genau bin ich auch auf Franz Hugo Klein, das war ein Gastbeitrag auf Staat und Recht, fand ich interessant, dass er Bezug nimmt auf die Maastrichtrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wo das noch mal so ventiliert wurde.

00:45:41: Ich glaube, richtig ist daran schon der Gedanke, wenn man, das machen ja übrigens alle klassischen Einwanderungsländer, die teilweise auch eine Insellage haben, dass man die nur die wirklich reinlassen, die sie haben wollen.

00:45:55: Ich glaube schon, wenn man eine unbegrenzte Einwanderung fördert und auch die Staatsangehörigkeit sehr großzügig verleiht, was ja auch bei uns mittlerweile der Fall ist.

00:46:06: kann es schon ein Problem geben, weil man irgendwie nicht ethnisch, aber man braucht gewisse gemeinsame Vorstellung, was für ein Gemeinwesen das sein soll.

00:46:16: Das glaube ich schon.

00:46:17: Und es ist natürlich schwer zu sagen, wann der Punkt ist, wo das kippt.

00:46:21: Aber ich glaube, es ist da mit den Loyalitäten, also bei den Doppelstaatlern, Mehrfachstaatlern, aber auch, ich glaube schon, dass es ein berechtigtes Interesse sein kann, zu gucken, wen man ins Land lässt.

00:46:33: weil es dann auch irgendwann keinen zurück mehr gibt.

00:46:35: und wie gesagt diese klassischen länder weil ja manchmal gesagt wurde bei uns wäre der flüchtlingskrise habe ich auch bei uns in der zeitung mal gelesen neuseeland australien auch das ist ja super.

00:46:44: also alle kulturen trinken da kapucino wurde aber nicht erwähnt dass die australia Ich würde mal fast sagen, KZ-mäßig ist ein Inselchen ausgewählt haben, wo jeder, der an Land kommt, wird da erst mal hingebracht.

00:46:57: Sie schotten sich total ab, da kann nicht jeder reinkommen.

00:46:59: Und dann kann ich natürlich sagen, bei denen, die da zusammen Cappuccino trinken, die kommen aus alle Herrenländer, aber die Australier, auch die Amerikaner, die Kanadier, ganz genau, wen sie reinlassen, wen brauchen wir, wert die Fähigkeiten und so weiter.

00:47:11: Und bei uns ist das alles abgeschafft gewissermaßen.

00:47:14: liegt natürlich an der Lage und so weiter.

00:47:16: Und das meine ich damit, dass man darüber mal nachdenken sollte.

00:47:18: Aber das ist natürlich kein Ausschlusskriterium im Grunde, dass ich an der Grenze einen Supertest mache.

00:47:27: Wir machen ja einen Test.

00:47:28: Ich weiß nicht, ob die kann man sich im Internet anschauen.

00:47:31: Sie sind Einwanderungstest oder Staatsbürgerschaftstest, den man irgendwie mit einen Fünfzig Punkten von Hundert bestehen muss, dann muss man rein.

00:47:42: gewisse Sprachleistung erbringen, nicht so.

00:47:45: Ein Grundgesetzbekennen?

00:47:46: Sich zum Grundgesetzbekennen und solche Sachen.

00:47:48: Und wenn man diesen Test sich anschaut, kommt man ja gar nicht drum herum, eine Glosse zu schreiben.

00:47:55: Da wird dann gefragt, wo meldet man in Deutschland einen Hund an?

00:48:02: Ich weiß nicht, ich hätte ein fördliches Verständnis, wenn Sie das nicht wüssten.

00:48:06: Ich wüsste es nämlich auch nicht.

00:48:08: Und ich sehe auch nicht genau den Zusammenhang.

00:48:11: zu Böckenförde und Verfassung und Loyalität oder so, oder dass man die Wappentiere von Niedersachsen oder Hessen sagen muss.

00:48:21: Ich finde sogar die vollständige Aufzählung aller Bundesländer oder so, wo ich so sage, ja, okay, wenn das jemand nicht weiß, dann ist er noch nicht lange da.

00:48:29: Aber man könnte jetzt zum Beispiel sagen, die Dauer, das ist ja auch verkürzt worden, die Dauer des Aufenthalts und die Integration der Gemeinschaft in der Schweiz, wo die Landsgemeinde abstimmt.

00:48:42: In der Thornhalle, der Herr, wohnt seit fünfzehn Jahren hier, wollen wir, dass er Schweizer wird.

00:48:48: Kann auch eine Diskriminierung beinhalten.

00:48:50: Vielleicht ist ja auch die, ja, eine gewisse Dauer, bevor man die Staatsbürgerschaft verleiht, ein Indiz dafür, dass er sich eingelebt hat, ohne Vorstrafen und so weiter.

00:48:59: Also stärkeres als bescheuerte Fragen, keine Fragen.

00:49:03: Es ist jedenfalls unsinnig, dass man durch Wissen über die Hunderanmeldungsverfahren zum Beispiel kompensieren kann, dass man bei einer anderen Frage angekreuzt hat, Deutschland sei eine kommunistische Republik.

00:49:12: Das war der Fall in Regensburg, wo jemand den Sprachtest hatte, den Anwanderungssetten standen, obwohl kommunistische Republik angekreuzt wurde, was ja nur wirklich auch voraussetzt, dass der gar keinen Kontakt zu irgendwelchen Informationen hat.

00:49:29: Naja.

00:49:29: Ich glaube, der Hintergrund ist eben nochmal Flüchtlingskrise.

00:49:32: Was als humanitäre Geste zurecht begann und immer auch möglich sein sollte, kann eben dazu führen, wenn ich dann so Sachen wie unsere eigenen Regel-Familien-Nachzug und so weiter zusammennehme und dann sage, es gibt keine Obergrenze.

00:49:45: Das war ja der Grund für diese Krise, wenn man so will und auch für das Ersteckende der AfD.

00:49:49: Das steckt da so ein bisschen dahinter.

00:49:51: Wie man das wieder positiv wendet, ist schwierig.

00:49:53: Haben Sie denn, weil Sie AfD sagen, wir alle haben ja sehr lange Beschwerdelisten, was uns nicht gefällt?

00:50:02: Ja?

00:50:03: oft, weil wir uns bei irgendwas gut auskennen, Unteranmeldungen oder Einkommensteuer oder was so.

00:50:10: Und dann fällt uns auf, das stimmt nicht und das stimmt nicht und die Bahn fährt nicht und so weiter.

00:50:14: Und das ist ja dann ein Schritt von diesen einzelnen Beschwerdelisten, die glaube ich immer lang sind, gerade auch in Deutschland.

00:50:22: Das heißt ja nicht umsonst Protestantismus.

00:50:25: Also wir protestieren gerne, aber die einzelnen Punkte untereinander hängen ja oft gar nicht zusammen.

00:50:32: Also, dass die Bahn nicht kommt und dass es keine Vermögenssteuer gibt oder das, ich weiß nicht, löfdauernd... Früher war alles besser.

00:50:42: ...falsch aufstellt oder so.

00:50:45: Oder ein undurchdringliches Asylrecht, das hängt ja untereinander erst mal gar nicht zusammen.

00:50:52: Oder glauben Sie doch?

00:50:54: Ja, jedenfalls glaube ich schon, dass gewisse noch mal Stichwort Dokmar früher war alles besser, ist natürlich Blödsinn.

00:51:00: Früher wäre auch viel schlechter.

00:51:01: Aber wenn man Erfahrung hat mit Pünktlichkeit, Funktionsfähigerverwaltung, die Post kommt an, früher sogar zweimal am Tag.

00:51:09: Man merkt irgendwie, da geht was den Bach runter, vielleicht ist es sogar teilweise im Ausland besser, wo es früher schlechter war.

00:51:15: Kann schon sein, dass das Interesse de Timance, dass da auch was zusammenhängt oder jedenfalls das Gefühl vermittelt wird, das ist nicht mehr mein Land.

00:51:25: Was natürlich Blödsinn ist, und ich mache ja auch lustig über die, die auswandern wollen, wo man sich fragen kann, wohin wollte er auswandern?

00:51:30: Wo ist es eigentlich besser?

00:51:31: Würde ich immer noch sagen, das ist auch... Nicht so einfach, ja.

00:51:34: Genau, nicht so einfach.

00:51:35: Wenn man guckt, wer da so an der Regierung ist, auch in Nachbarstaaten und so weiter, aber ich glaube schon, aber die Frage nochmal nach Extrem, die führt dann vielleicht mal eben zu einem Kreuzchen.

00:51:46: Man hört ja viele, die auf Veranstaltungen sagen auch, in den sogenannten Spitzen der bürgerlichen Gesellschaft.

00:51:52: Nein, ich will ja nicht AfD, aber man soll die aber nicht ausgrenzen.

00:51:56: Und ich glaube, also die Stimmzahl ist auch deswegen so beträchtlich, weil viele da irgendwie ihre Luft rauslassen.

00:52:02: Und so verhängt vielleicht schon vieles miteinander zusammen und das ist auch eine gewisse Gefahr in der Tat.

00:52:06: Ja, der Kollege Strauß hat das vor zwei Tagen mal so formuliert, aus seinen Erfahrungen, aus Prenzlau, also Nord-Brandenburg, Rache am Westen als Motiv.

00:52:19: Und ich hätte das dann fast noch erweitert, auch Rache im Westen am Westen.

00:52:24: Im Osten ist ja so, viele sagen ja persönlich geht es mir gut, was auch oft stimmt, vor allen Dingen im Vergleich zu früher, aber uns insgesamt schlecht und im Vergleich zum Westen.

00:52:32: Jetzt natürlich oft schlechter.

00:52:34: Man könnte auch durch die Frage, ist das die richtige, ich habe ja auch ein Kapitel zum Opfer, ist das die richtige Haltung oder ist das so eine Opferhaltung, könnte man nicht auch sagen, toll, dass es mir heute besser geht, es gibt keine Stasi mehr, ich kann einen guten Rotwein trinken.

00:52:46: Ich habe ein Auto, das kein Trabi ist, aber ich kann natürlich auch sagen, ich erbe weniger, ich kann auch sagen, im Westen verdienen die noch mehr, also das ist auch eine Frage der Einstellung, aber das muss die Politik natürlich auch irgendwie bedienen.

00:53:01: Ist ein Fehler der Politik, dass sie selber zu wenig darauf achtet, so Dogmen zu vermeiden, also dass sie so Sachen raushaut.

00:53:11: würde da an den Kanzler denken, wer gerne mal was sagt und einen Tag später muss man es dann korrigieren, Migranten bei Zahnärzten und so.

00:53:18: Das ist ja eigentlich keine Geschichte.

00:53:20: Also ich bin gar nicht dagegen, dass man was raushaut oder meinetwegen auch folgtümlich oder so, was dagegen ist ja nichts zu sagen.

00:53:27: Aber man müsste doch einmal über den zweiten Ball nachdenken, also wenn es zurückkommt.

00:53:34: Klar und ich glaube auch einerseits Wahlkampf.

00:53:38: Da waren ja auch einige Versprechen gemacht worden, auch bei uns im Hause.

00:53:42: Wenn das so krass dann gebrochen wird, das merken die Leute schon, glaube ich.

00:53:45: Die wissen zwar, es gibt Wahlkampf und es gibt normale Zeiten, aber andererseits ist immer irgendwie Wahlkampf.

00:53:50: Und auch sowas kann, glaube ich, auch bürgerliche Wähler, wenn man den Ausdruck der sozialdemokratischen Wähler enttäuschen.

00:53:58: Ja, das ist ja mein... Sie haben einen Kapitel, das heißt, die Note entscheidet.

00:54:02: Was steht denn da drin, das interessiert mich.

00:54:04: Das ist wieder meine juristische Verblödung oder Verbildung der Glaube des Deutschen an die Note.

00:54:12: Das sind auch so ein paar anekdotische, ich sage anekdotische Evidenz, aber so nach dem Motto, wenn im Staatsdienst oder bei einer Anwaltskanzahl nach dreizig Jahren, ich übertreibe jetzt nur etwas, nach dreizig Jahren noch die Grundschulnote herausgekramen wird, um zu begründen, dass der nicht geeignet ist für einen Posten, auf dem er sich vielleicht zwanzig Jahre bewährt hat, das ist so deutsch.

00:54:29: Also der Glaube, dass die Note, die ja auch, wie kommt sie zustande, weiß man nicht?

00:54:34: Zufällig.

00:54:34: Ja, und auch mit vielen Irrationalitäten.

00:54:37: Und bei Jura ist es besonders krass, glaube ich.

00:54:40: Und man ist natürlich richtig, dass die Note, wenn wir Bewerber haben, man hat einen Lebenslauf und man muss irgendwie auswählen, von dreihundert Leuten, wen lädt man ein, mein Wegen.

00:54:50: Und man guckt vielleicht auf verschiedene Kriterien.

00:54:51: Aber ich finde es schon interessant, wie stark dann doch bei vielen jedenfalls Note vor Erfahrung, Persönlichkeit und so weiter geht.

00:55:01: Und da muss man sich vielleicht auch das auch ein Dokmar in der Tat, glaube ich, dafür mal lösen.

00:55:06: Es gibt ja auch hervorragende Kollegen, auch Journalisten, die noch nicht mal ein Studium haben, die aber halt gute Journalisten sind, weil sie es können.

00:55:14: Ist vielleicht besser, keinen Studium zu haben, dann hat man wenigstens keine schlechte Note gehabt.

00:55:17: Genau, genau.

00:55:20: Das ist wieder bei der Bahn.

00:55:21: Die Bahn, die gar nicht die ausfallen, die werden ja auch nicht in die Pünktlichkeitsquote gerechnet.

00:55:24: Die sind einfach ausgefallen.

00:55:27: Also Sie sehen, es gibt ein reichhaltiger Band zum Streiten, zum Nachdenken, zum Kopfnicken und zum Dagegensein.

00:55:37: Also man ließ das nicht im Gefühl gelangweilt zu werden.

00:55:42: Ich danke Ihnen sehr.

00:55:43: Das höchste Lob, danke.

00:55:45: Ich danke Ihnen sehr.

00:55:46: Ich darf noch sagen, auf diese Buchmesse ist die erste, an der man auch an den Fachbesuchertagen schon Bücher kaufen kann.

00:55:53: Dieses Buch ist hier bei uns am Stand da.

00:55:56: Herr Müller ist auch bereit, Hundert Exemplare zu signieren.

00:56:00: Also das nur als kleiner Hinweis.

00:56:03: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

00:56:09: Unser gerechtes Urteil kommt aus Leipzig, und zwar vom Bundesverwaltungsgericht.

00:56:14: Da gab es in der vergangenen Woche ja eine kleine Sensation, mit der viele Rechtsexperten und Beobachter nicht unbedingt gerechnet haben.

00:56:22: Finn, du hast dich damit befasst, worum geht es in der Entscheidung?

00:56:25: Genau, es geht um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

00:56:28: Wenn der kein ausgewogenes und vielfältiges Programm bietet, kann der Rundfunkbeitrag verfassungswidrig sein.

00:56:34: Das hat das Bundesverwaltungsgericht, wie du gesagt hast, eben... in der vergangenen Woche entschieden.

00:56:39: und dazu zur Feststellung, ob der Rundfunkbeitrag möglicherweise verfassungswidrig ist, können Gerichte, Verwaltungsgerichte, um genauer zu sein, das Programm der Sender künftig auch inhaltlich überprüfen.

00:56:52: Das ist insofern ein echter Paukenschlag, als das Gerichte solche Klagen, von denen es in der Vergangenheit ja immer wieder ganz viele gab.

00:56:59: Bislang steht es mit dem Argument abgewiesen haben, dass sich Bürger mit ihrer inhaltlichen Kritik nicht an die Gerichte, sondern an die Kontrollgremien der Sender wenden müssen.

00:57:09: Also an die Rundfunkräte beziehungsweise beim ZDF, an den Fernsehrat.

00:57:13: Und in Zukunft können Bürger eben die Ausgewogenheit im Programm der öffentlich-rechtlichen vor den Gerichten überprüfen lassen.

00:57:20: Und das stellt eine echte Kärtwende in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung dar.

00:57:25: Ja, das ist es in der Tat.

00:57:27: Kritik am Programm der öffentlich-rechtlichen gab es ja schon, solange es eigentlich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt und nimmt zudem seit Jahren immer stärker zu.

00:57:36: Künftig findet diese Debatte also auch vor den Verwaltungsgerichten statt.

00:57:41: Aber noch mal kurz zurück zu der Entscheidung.

00:57:44: Vielleicht kannst du noch mal sagen, welcher Sachverhalt liegt dem Urteil aus Leipzig denn überhaupt zugrunde?

00:57:49: Gerne.

00:57:50: Es geht um eine Frau aus Bayern, die der Ansicht ist, dass ARD, ZDF und Deutschland Radio ihren Programmauftrag nicht erfüllen, weil sie eben zu einseitig und nicht ausgewogen genug berichten.

00:58:02: Sie hat sich deshalb geweigert, ihrem Rundfunkbeitrag zu zahlen.

00:58:05: Wegen mangelnder Meinungsvielfalt sieht sie ein generell strukturelles Versagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

00:58:13: Gegen den Beitragsbescheid des bayerischen Rundfunks hatte sie dann zuerst für den Verwaltungsgericht in München geklagt und ist später vor dem bayerischen Verwaltungsgerichthof gezogen.

00:58:22: Beide Male unterlag sie jeweils in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechungslinie der Verwaltungsgerichte.

00:58:29: Vor dem Bundesverwaltungsgericht hat die Frau dann aber allerdings in letzter Instanz überrascht und recht bekommen.

00:58:36: Wie hat das Bundesverwaltungsgericht diese Kertwende juristisch denn begründet?

00:58:41: Die Leipziger Richter berufen sich vor allem auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

00:58:45: Aus dem Jahr aus dem Jahr vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch.

00:58:49: Damals haben die Karlsruher Richter schon mal über den Rundfunkbeitrag in Deutschland geurteilt und den im Grundsatz bestätigt.

00:58:58: Sie urteilt damals, dass allein die Möglichkeit, die Sender zu empfangen, einen individuellen Vorteil für die Nutzerbegründe, der dann eben auch den Beitrag rechtfertiger.

00:59:09: Ob man ARD, ZDF oder Deutschland Radio dann auch tatsächlich anschaut oder anhört, sei hingegen nicht entscheidend.

00:59:16: Allerdings und darauf stützt sich das Bundesverwaltungsgericht jetzt auch in der aktuellen Entscheidung.

00:59:22: Ja.

00:59:23: Allerdings muss das Programm so ausgestaltet sein, dass der Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfüllt wird.

00:59:30: Und dieser Auftrag, der liegt eben darin, objektiv und unparteilig zu berichten und dabei die Ausgewogenheit und die Meinungsvielfalt zu berücksichtigen.

00:59:40: Und genau diese verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Beitragspflicht, die fehlt in dem Moment, so die Leipziger Richter, in dem das Gesamtprogrammangebot über eine einen längeren Zeitraum evident und regelmäßig die Anforderung an Vielfalt und Ausgewogenheit nicht erfülle.

01:00:00: Das ist ja echt interessant.

01:00:01: Haben denn die Richter auch gesagt, wie lang dieser Zeitraum sein muss?

01:00:04: Ja, das haben sie.

01:00:05: Wir sprechen hier beim Zeitraum von mindestens zwei Jahren.

01:00:09: Wem also eine einzelne Sendung oder eine Folge mal nicht passt, der wird vor Gericht keiner Chance haben.

01:00:15: Wer gegen substanzielle Kritik am Programm der Öffentlich-Rechtlichen äußern will, muss das für eine längere Programmstrecke nachweisen.

01:00:22: Ziemlich hohe Hürden also, die das Gericht vor allem deshalb aufstellt, weil sich die Sender ihrerseits natürlich auch auf die Rundfunkfreiheit aus Artikel fünf des Grundgesetzes berufen können.

01:00:32: Und die darin geschützte Programmfreiheit sitzt einer zu starken Kontrolle durch die Gerichte dann eben doch verfassungsrechtliche Grenzen, die das Bundesverwaltungsgericht mit diesen Hürden dann eben einbezieht.

01:00:44: Jetzt werden sich wahrscheinlich viele Fragen.

01:00:46: Was bedeutet die Entscheidung denn nun konkret, also in der Praxis?

01:00:50: Müssen wir jetzt mit einer Klagewelle rechnen vor Gerichten?

01:00:53: Ja, das kann gut sein.

01:00:54: Ich persönlich rechne damit.

01:00:55: Denn wir haben es vorhin schon gesagt, es gibt zahlreiche Bürger, die eben mit dem Programm der öffentlich-rechtlichen nicht einverstanden sind.

01:01:02: Das ist kein Geheimnis.

01:01:04: Und so ein Vorwurf, den man da immer wieder hört, ist jetzt zum Beispiel, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu regierungsnah oder zu links beziehungsweise zu Vogue ist.

01:01:13: Ja, die meisten oder zumindest sehr, sehr viele dieser Klagen dürften allerdings, wenn man da mal eine vorsichtige Prognose anstellen darf, voraussichtlich scheitern.

01:01:22: Zum einen aufgrund der hohen Hürden, die ich gerade eben schon skizziert habe.

01:01:27: Zum anderen aber auch, weil es in der Praxis wohl sehr, sehr schwierig sein dürfte, ein Defizit in der Programmvielfalt dann auch tatsächlich zu beweisen.

01:01:36: Darauf weisen die Leipziger Richter in der Entscheidung dann auch hin.

01:01:39: Sie schreiben nämlich, dass die programmliche Vielfalt und Ausgewogenheit ein Ziel wert sei, der sie stets nur ernährungsweise erreichen lasse.

01:01:49: Das relativiert die Kontrollbefugnis der Gerichte und damit die Tragweite der Entscheidung natürlich auch so ein bisschen.

01:01:55: Und jetzt mal angenommen.

01:01:56: Ein Kleger gelingt dieser Nachweis trotzdem.

01:02:00: Können die Verwaltungsgerichte dann einfach den Rundfunkbeitrag für verfassungswidrig erklären?

01:02:04: Nee, das können Sie nicht zuständig.

01:02:06: Ist dafür allein das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

01:02:10: Auch das heben die Richter des Bundesverwaltungsgerichts in ihrer Entscheidung nochmal hervor.

01:02:14: Trotzdem ist die Entscheidung, wie ich finde, ein echter Meilenstein nicht nur für die Rundfunkrechtsprechung, sondern auch für das generelle Verhältnis zwischen Bürgern und öffentlich-rechtlichen Medien.

01:02:24: Zum einen eben, weil es jetzt eine neue Diskussionsplattform für die inhaltliche Kontrolle des Programms gibt.

01:02:30: Zum anderen darf man aber auch wohl davon ausgehen, dass die Programme verantwortlichen sich jetzt künftig wohl noch selbstkritischer mit ihrer Arbeit auseinandersetzen müssen, eben um dann peinliche Niederlagen vor den Gerichten zu vermeiden.

01:02:42: Ob das am Ende zu einer echten Stärkung der Vielfalt und so mehr Akzeptanz, dann auf der anderen Seite des Rundfunkbeitrags führt, wird sich natürlich zeigen.

01:02:51: Aber ich denke klar ist, die Diskussion über Auftrag, Qualität und Finanzierung der öffentlich-rechtlichen ist jetzt offener und dynamischer als je zuvor.

01:03:00: Das kann man, glaube ich, festhalten.

01:03:01: Definitiv.

01:03:02: Da sehe ich auch so, die Debatte dürfte mit dem U-Tag ein, das falls beendet sein, sondern im Gegenteil jetzt wahrscheinlich erst so richtig losgehen.

01:03:10: Wir bleiben dran.

01:03:12: sind gespannt, wie sich die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte dazu entwickeln wird und ob sich möglicherweise dann eines Tages auch das Bundesverfassungsgericht zu dem Thema äußern wird.

01:03:21: Wenn das so sein sollte, hören Sie es natürlich hier im Podcast.

01:03:27: Damit sind wir auch schon am Ende unserer Sendung angekommen.

01:03:30: Auch an dieser Stelle möchten wir Sie noch einmal auf die Stellenausschreibung aufmerksam machen.

01:03:34: Wenn Sie sich vorstellen können, ab dem ersten Januar, zwanzig als Redaktör bei Einspruch anzufangen, schicken Sie uns gerne Ihre Bewerbungsunterlagen.

01:03:43: Alle Infos zum Bewerbungsprozess finden Sie in den Shownotes.

01:03:47: Und dann möchten wir Sie noch auf den Aufsatzwettbewerb der Stiftung der hessischen Rechtsanwaltschaft aufmerksam machen.

01:03:53: Jurastudienten und Rechtsreferendare können bis zum sechzehnten Januar, ein Beitragstext bei der Stiftung einreichen.

01:04:02: Das Thema der Aufsätze lautet in diesem Jahr Altersgrenzen im Wandel, Entwicklungsgerechtes, Jugendstrafrecht.

01:04:10: Ja, und die Teilnahme lohnt sich, denn es gibt ein Preisgeld von zehn tausend Euro, das ist wahnsinnig viel Geld, und die Gewinneraufsätze werden wieder als Gastbeiträge auf der Website von FAZ Einspruch veröffentlicht, was natürlich ein zusätzlicher Anreiz sein soll.

01:04:25: Nähere Infos im Wettbewerb haben wir Ihnen ebenfalls in die Shownauts geschrieben.

01:04:29: Ja, und wer uns eine Hörerfrage hier für den Podcast stellen möchte oder einfach nur Feedback und gerne auch Themenideen für den nächsten Podcast folgen hat, der kann Sie gerne an redaktioneinspruchetfaz.de schicken.

01:04:42: Die Hörerfrage senden Sie betalt Sprachnachricht.

01:04:45: Ja, und dann finden Sie uns natürlich auch auf Instagram unter fatz.einspruch auf LinkedIn unter FAZ pro Einspruch und unter frankfutterallgemeine.de.

01:04:56: slash referandariat finden angehende Referendare außerdem alle notwendigen Informationen zu einer Station bei uns im Haus.

01:05:05: Dort können sich Referendare natürlich auch in der Einspruchredaktion einbringen.

01:05:09: Ja, und für heute bedanken wir uns fürs Zuhören und wünschen eine schöne Woche.

01:05:13: Auf von mir eine schöne Woche und bleiben Sie Anspruch treu.

Über diesen Podcast

Ukraine-Krieg, Datenschutz, Mord und Totschlag: Keine Woche vergeht, ohne dass neue Gesetze und Urteile die Öffentlichkeit beschäftigen. Jeden Mittwoch verhandeln wir die wichtigsten Themen im Podcast für Recht, Justiz und Politik mit ausgewiesenen Fachleuten und haben dabei stets im Blick, welche Bedeutung juristische Themen in der Praxis, aber auch für die Examensvorbereitung von Studenten und Referendaren haben.

Haben Sie Themenideen, Fragen zu aktuellen Rechtsthemen oder wollen uns Feedback geben? Wir freuen uns über Ihre E-Mail an einspruchpodcast@faz.de.

Alle Folgen sind jederzeit auch hier abrufbar: https://www.faz.net/podcasts/f-a-z-einspruch-podcast

von und mit Frankfurter Allgemeine Zeitung

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